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Zwischen Glaskugel und Expertenschätzung – Heuristik im Risikomanagement
Risikowahrnehmung und -bewertung im Bereich der Informationssicherheit stellen komplexe Herausforderungen dar. Sicherheitsexperten müssen Entscheidungen unter Unsicherheit treffen – etwa bei der Einschätzung von Bedrohungen durch Cyberangriffe – und diese Risiken verständlich an Entscheidungsträger oder die Öffentlichkeit kommunizieren. Klassische Modelle der Risikobewertung gehen häufig von einem „Homo oeconomicus“ aus, der alle verfügbaren Informationen rational auswertet, Wahrscheinlichkeiten…
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Was können wir wissen? – Die Epistemologie der Cyber-Bedrohungen
In der Erkenntnistheorie (Epistemologie) fragt man: Was ist Wissen? Was können wir mit Sicherheit erkennen? Diese klassischen Fragen stellen sich auch in der IT-Sicherheit: Woran merken wir, dass wir gehackt wurden? Können wir uns unserer Cyber-Sicherheit je ganz gewiss sein? In diesem Artikel verbinden wir epistemologische Konzepte – Wissen, Unsicherheit, Evidenz – mit der Praxis…
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Desire Lines in der IT-Sicherheit – Pfade des geringsten Widerstands in Unternehmensprozessen
Menschen neigen dazu, den einfachsten, bequemsten Weg zu wählen – sei es im Stadtpark oder im Büro. In der Stadtplanung spricht man von „Desire Lines“ (auch Wunschlinien oder umgangssprachlich Trampelpfade): Das sind die Pfade, die Menschen ganz natürlich entstehen lassen, indem sie abseits der vorgegebenen Wege laufen[1]. Der französische Philosoph Gaston Bachelard prägte diesen Begriff…
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Wettstreit um die Zukunft. Was vom Verhältnis der drei Intelligenzen Mensch, System, Technologie zueinander für uns abhängt.
Der rapide technologische Fortschritt der letzten Jahrhunderte wirft die Frage auf, ob der Kapitalismus als Wirtschaftsform eine eigene Logik oder „Intelligenz“ entwickelt hat, die Innovation antreibt – und dabei humanistische Ideale wie Würde, Mitmenschlichkeit und Selbstbestimmung aus den Augen verliert. Humanismus steht für ein optimistisches Menschenbild, das die Würde jedes Einzelnen, Freiheit und Gewaltfreiheit als…
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Patchwork-Philosophien der Silicon-Valley-Vordenker – Eine kritische Analyse
In der Tech-Branche ist es beinahe zum Trend geworden, Ideen großer Philosophen und religiöser Traditionen aufzugreifen, sich mit AI eine ‚Reader’s Digest‘ Version erstellen zu lassen und sich aus diesen Versatzstücken ein persönliches Weltbild zusammenzumischen[1]. Die zugrunde liegenden Werke werden in diesen Patchwork-Philosophien oft aus dem ursprünglichen Kontext gerissen und dienen dazu, die Visionen der…
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Anwendung von Perrows Sicherheitsgrundsätzen auf die Security
In komplexen technischen Systemen treten Störungen und Unfälle oft unvermeidlich auf – Charles Perrows Theorie der „Normalen Unfälle“ (Normal Accidents) erklärt, warum das so ist. Doch lassen sich die für die Safety (Betriebssicherheit) entwickelten Prinzipien auch auf die Security (Schutz vor Angriffen) übertragen? Dieser Artikel untersucht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Safety und Security und…
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Die existenzialistische Bedrohung: Cybersecurity im Licht des Existenzialismus – Was bedeutet es, in einer digitalen Welt „sicher“ zu sein, wenn Unsicherheit zum menschlichen Grundzustand gehört?
Unsere moderne Welt ist tiefgreifend digitalisiert – von der Kommunikation über Finanzen bis hin zur kritischen Infrastruktur ist fast jeder Lebensbereich vernetzt. Diese allumfassende Vernetzung schafft einerseits neue Möglichkeiten, bringt andererseits jedoch eine nie dagewesene Verwundbarkeit mit sich. Je stärker wir uns auf digitale Technologien verlassen, desto größer wird unsere potenzielle Angriffsfläche für Cyberbedrohungen[1]. Inmitten…
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Pragmatismus im Cyber Defense: Handeln vor Ideologie – Wie ein pragmatischer Ansatz hilft, Sicherheitsprobleme effektiv zu lösen
„Der sicherste Computer der Welt hat keine Netzwerkzugänge, keine User und liegt in einer Kiste vergraben.“ Diese pointierte Aussage kursiert seit Langem in der IT-Sicherheit. Sie verdeutlicht ein zentrales Dilemma: Maximale Sicherheit lässt sich theoretisch erreichen, macht das System praktisch aber unbrauchbar. In der realen Welt müssen Organisationen einen Mittelweg finden zwischen strengster Absicherung und…
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Die Ethik des Zweifelns: Zero Trust und philosophischer Skeptizismus
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – dieses Sprichwort bringt auf den Punkt, was das Zero-Trust-Sicherheitsmodell in der IT propagiert. Statt blindem Vertrauen herrscht methodischer Zweifel: Kein Gerät, kein Benutzer und keine Anfrage werden als vertrauenswürdig angenommen, ohne vorherige Prüfung. Interessanterweise spiegelt dieser Ansatz eine uralte philosophische Haltung wider – den Skeptizismus, insbesondere in der…
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Die Philosophie der Angst: Hobbes im Cyberkrieg – „Der digitale Mensch ist dem digitalen Menschen ein Wolf“?
Thomas Hobbes skizzierte im 17. Jahrhundert ein düsteres Bild des Naturzustands der Menschheit: „bellum omnium contra omnes“ – ein „Krieg aller gegen alle“, in dem Angst das vorherrschende Gefühl ist und „der Mensch dem Menschen ein Wolf“. Leben ohne staatliche Ordnung sei „einsam, armselig, ekelhaft, brutal und kurz“, denn ohne Gesetze und übergeordnete Autorität würde…